Verfolgt man mediale Berichte über unser Ernährungsverhalten, möchte man meinen, noch nie wäre unsere Grundversorgung so vielfältig und qualitätsvoll gewesen wie heute. Nun, das mag zutreffen auf unseren kalorischen Bedarf. Niemand mehr muss an Hunger leiden. Im Gegenteil, beinahe jede/r Zweite in Europa leidet an Übergewicht. Was jedoch die sogenannte Mikronährstoff-Dichte vieler Nahrungsmittel betrifft, sind die Fakten weniger erfreulich. 80% unseres „Lebensmittel“-Angebotes wird heute nicht mehr durch Grundnahrungsmittel repräsentiert, sondern durch industriell vorgefertigte Produkte: Instant-Pürees aus entmineralisierter Kartoffelstärke, Brot und Gebäck aus Auszugsmehlen, Fertigmenüs, Snacks, Limonaden, Chips und zahlreiche andere Industrieprodukte befriedigen zwar unsere sensorischen, nicht aber gesundheitlichen Bedürfnisse. Wie sonst wäre erklärbar, dass die Anzahl der Menschen aller Altersstufen, die an AD(H)S, Neurodermitis, Depressionen, Burnout, Allergien, Diabetes und vielen anderen „Wohlstandserkrankungen“ leiden, seit Jahrzehnten, korrespondierend zur Industrialisierung unserer Nahrungsmittel, steigt?
Beginnende Mikronährstoff-Defizite: Unspektakulär, aber potenziell bedenklich
Bringt man die Ergebnisse der vergangenen Ernährungsberichte auf den Punkt, so sind die Resultate eigentlich seit Jahrzehnten unverändert. Wir konsumieren zu viel an Kalorien, an Eiweiß und gesättigten Fetten, paradoxerweise aber zu wenig an Omega-3-Fettsäuren. Zugleich aber zeigen die meisten von uns Defizite an Beta Carotin, Vitamin E, Vitamin D, Jod, Vitamin B2, B5, B6, Folsäure, B12, Vitamin C, Selen, Calcium, Kalium und Magnesium. Wir sind somit offensichtlich zwar kalorisch ausreichend (über)versorgt, zugleich aber mangelt es uns an lebenswichtigen Mikronährstoffen. Dieser Zustand wird achselzuckend zur Kenntnis genommen. Denn die anfangs noch geringen Defizite an Vitaminen oder Spurenelementen führen nur zu unspektakulären Beschwerden. Müdigkeit, Antriebslosigkeit, niedrige Stress-Toleranz, Schlafstörungen, trockene Haut, Allergiebereitschaft oder Infektanfälligkeit werden hingenommen und gelten als Zeitgeist-Beschwerden. Die latente (also unsichtbare) Unterversorgung zeigt sich häufig auch in unseren Laborbefunden, etwa durch Anstiege von Blutzucker, Cholesterin, Triglyceriden, Harnsäure, Homocystein oder der Leberenzyme. Auf laborchemischer Ebene aber sind diese Anstiege nichts anderes als der labordiagnostische Nachweis, dass sich „etwas in unserem Stoff-Wechsel staut“. Die meisten dieser Beschwerden und Befunde „tun nicht weh“, werden eher mit unserem Lebensstil als mit unserer Ernährung assoziiert und gehen so im Alltag als Wohlstands-Tribut unter.
Hinter diesen Zivilisationsbeschwerden aber baut sich bereits ein für viele von uns durchaus bedenkliches gesundheitliches Minenfeld auf.